Rückblick auf das Jahr 2001

„Die Hochzeit des Figaro“ von Wolfgang Amadeus Mozart

Inszenierung: Isabel Ostermann
Am Ende des verrückten Tages fallen die Masken

Figaro’s Hochzeit ist auf den ersten Blick eine amüsante Komödie, die mit ihren verschiedenen Verkleidungs- und Verwirrungsmomenten vor allem unterhalten soll. Wir befinden uns auf dem Schloss Almaviva in der Nähe von Sevilla am Ende des 18. Jahrhunderts. Der Kammerdiener Figaro und die Zofe Susanna bereiten sich auf ihre Hochzeit vor. Aber der Graf ist zu allem bereit, um die hübsche Braut zu verführen. Mit der Hilfe der Gräfin, die unter der Treulosigkeit ihres Gemahls leidet, wird ein Plan ausgeheckt, um all die Fallen des Grafen zu umgehen. Dieser wird seinerseits von Marcelina, Bartolo und Basilio unterstützt, die alle die Hochzeit vereiteln wollen. Der junge Page Cherubin wird zum Spielball beider Seiten. Nach einer Reihe von unglaublichen Vorkommnissen, die zum Teil berührende Momente voll Melancholie beinhalten, fallen am Ende des verrückten Tages nach und nach die Masken, und die wahre Natur der einzelnen Träger kommt zum Vorschein.

Der Konflikt

Wenn man aber die literarische Vorlage „Le mariage de Figaro“ von Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais aus dem Jahre 1784 und ihren Entstehungskontext etwas genauer betrachtet, wird die politische Ebene deutlich: Das Stück entstand nur wenige Jahre vor der Französischen Revolution, als die Gesellschaftsordnung des Ancien Régime am Wanken war. Es bezeichnet den Konflikt zwischen dem Adel, der sich kraft seiner ererbten Privilegien über die bürgerliche Moral hinwegsetzte, und seinen unter dem Einfluss der Aufklärung selbstbewusster gewordenen Untergebenen. Der Literaturwissenschaft bezeichnet “Le mariage de Figaro“ als „ein Zeichen des sinkenden Ansehens des Königtums, eine (…) unerhörte Verhöhnung des Adels, der Zensur, des Stellenkaufes, einer unzuverlässigen, überlebten Justiz, eine Anklage aller despotischen Einschränkungen der persönlichen und Gedankenfreiheit“.

“Das Recht der ersten Nacht”

Eine Rolle spielt dabei auch ‚das Recht der ersten Nacht‘. Das ‚Ius primae noctis‘ bezeichnet das angebliche Recht eines Gerichtsherrn, bei der Heirat von zwei unter seiner Herrschaft stehenden Personen die erste Nacht mit der Braut zu verbringen oder einen Geldersatz (Stechgroschen) zu verlangen. Die Darstellung dieser Rechtsgepflogenheit, beziehungsweise die zugehörige erotische Machtfantasie, findet sich in literarisch-politischen Publikationen der Frühen Neuzeit und der Aufklärung. Ob dieses Recht jedoch jemals tatsächlich bestand, ist stark umstritten. Gerade in dem Zeitalter der Aufklärung haben Philosophen und Autoren dieses Thema genutzt, um die Stimmung gegen den herrschenden Adel aufzuheizen und die absolutistische Macht des Adels zu kritisieren. Es wird also deutlich, dass ein Werk der Literatur, die dieses Recht verwendet, sicherlich auch einen politischen Gehalt hat. So ist es auch in Mozarts Opernadaption:

Die Idee, dass sich die junge Schöne den Nachstellungen ihres Herrschers durch ihr schlaues Handeln widersetzt, schürt die Zweifel an der Richtigkeit der absoluten Macht der herrschenden Fürsten über ihre Untertanen. Auch Figaro und Susanna suchen nach einem Weg, sich den Plänen des Grafen zu widersetzen. Der Graf hatte eigentlich auf das Recht der ersten Nacht in seinem Reich verzichtet, bis ihm Susanna begegnet. Er sucht nach einem Weg, mit ihr zu schlafen, ohne offiziell sein Recht einzufordern. Der erste Schritt dazu ist das Schlafzimmer von Susanna und Figaro in direkter Nähe zu seinen Zimmern anzusiedeln. Nachdem Susanna Figaro über die Pläne des Grafenberichtet hat, plant Figaro, den Grafen auszutricksen.