Rückblick auf das Jahr 2015

Akademie Immling: “Mamma Mia!”

Inszenierung: Ludwig Baumann
Musikalische Leitung: Iris Schmid
Die Geburtsstunde des Jugendchors der Akademie Immling

Das berühmte ABBA Musical wurde in einem kleinen Zelt inszeniert, in dass bei normaler Bestuhlung knapp 180 Leute passen. Die Erwartungshaltung war nicht allzu hoch, da es sich um die erste Produktion des neugegründeten Jugendchors handelte. Der Andrang auf das Gute-Laune-Musical war aber so groß, dass das Ticket- und Bühnen-Team immer wieder Stühle beschaffen musste, um allen Musicalfans einen Platz geben zu können. So saßen bei jede der vier ursprünglich geplanten Aufführungen rund 200 Zuschauer im Publikum.

Sommer, Sonne, gute Laune
Die Zuschauer ließen sich schnell von den Nachwuchskünstlern nach Griechenland, dem Schauplatz der turbulenten Liebesgeschichte der Protagonisten, entführen. Mit Sandalen, luftigen Kleidern und der ein oder anderen Sonnenbrille ausgestattet, versprühte der Jugendchor das richtige Sommerfeeling. Vor den dünnen Zeltwänden lag gerade der erste Schnee. Da das Zelt keinen Backstage Bereich besaß, konnte man deshalb auch während der Aufführung den ein oder anderen DarstellerIn mit Sandalen durch den Schnee zum nächsten Zelt hüpfen sehen, um sich dort für den nächsten Auftritt bereit zu machen.
Braucht es immer Strom?

Nicht nur die Kälte war eine Herausforderung für die Produktion. An eine Aufführung erinnern sich viele aus dem Jugendchor noch heute: Während einer Aufführung fiel der Strom aus, da es Probleme am Verteiler gab. Das wäre bei einer Oper wohl kein großes Problem. Nur selten werden dort Mikrophone zur Verstärkung benutzt und klassische Instrumente funktionieren eigentlich immer ohne Strom. Im Musical sieht das jedoch anders aus. So war es in dem kleinen Zelt plötzlich stockduster . Kurzerhand agierten die Ticketdamen als Lichttechniker: Taschenlampen haben sie schließlich immer dabei

Improvisation ist alles

Immer in der Lage schnell auf solche Situationen zu reagieren und zu improvisieren rief der Regisseur und Intendant Ludwig Baumann vom Lichtpult: „Iris, spiel doch etwas auf dem Klavier!“, wobei es prompt von den Jugendlichen zurück kam: „Aber Ludwig, das ist ein E-Piano!“. Ein erneuter Versuch: „Dann spielt doch etwas auf der Gitarre!“ – „Aber Ludwig, das ist eine E-Gitarre!“.

Im Endeffekt wurde eine alte Akustikgitarre, die auf der Bühne eigentlich nur als Deko diente, kurzerhand zweckentfremdet, gestimmt und gespielt. Die Zuschauer durften sich ihre Lieblingssongs von ABBA wünschen und die Jugendlichen improvisierten ein kleines Wunschkonzert, bis nach ca. 20 Minuten der Strom wieder anging und die Show weitergehen konnte.

Die Folgejahre der Akademie Immling
In den Folgejahren ist die Musicalproduktion der Akademie Immling in die Festspielhalle umgezogen. Seitdem gab es auch keinen Stromausfall während einer Aufführung mehr. Trotzdem ist und bleibt dieses erste Jahr etwas ganz Besonderes für die Jugendlichen, die in der Zeit nicht nur über sich selbst hinausgewachsen sind und einiges gelernt haben, sondern auch Freundschaften fürs Leben geschlossen haben.
Wie geht es heute weiter?
Heute sind die Jugendlichen, die in den Akademieproduktionen mitgewirkt haben, MusiklehrerInnen, MusicaldarstellerInnen, OpernsängerInnen, MusikwissenschaftlerInnen, oder machen weiter Musik in ihrer Freizeit.
Aus der einstmals kleinen Gruppe ist über die Jahre ein großes Netzwerk mit über hundert Jugendlichen und jungen Erwachsenen gewachsen, die sich gegenseitig immer noch kontaktieren, unterstützen und zusammen musizieren.
Aus dem Nähkästchen
Man erinnere sich: in „Mamma Mia!“ wurde der Pressesprecher und Dramaturg Florian Maier verpflichtet, eine männliche Hauptrolle zu übernehmen, da sonst nicht genug DarstellerInnen da gewesen wären, um das Stück überhaupt stattfinden zu lassen! Bei der Immling Familie ist alles möglich!
Danke!
Durch die Förderung und Unterstützung von Ludwig Baumann und Cornelia von Kerssenbrock durften die Jugendlichen Erfahrungen machen, die vielen sonst nicht möglich sind. So ist es auch der Autorin dieses Beitagss als ehemaliges Mitglied des Jugendchors der Akademie Immling ein persönliches Anliegen noch einmal im Namen aller Jugendchormitglieder ‚Danke‘ zu sagen:

Danke, für die Unterstützung, die wir auf künstlerischer wie auf emotionaler Ebene erfahren habe!

Danke, für die Erfahrungen und die Bühne, die ihr uns gegeben habt.

Der Jugendchor kann es kaum erwarten, die Bühne zu erobern und mit guter Laune, Leidenschaft und großen Gefühlen das Publikum zu begeistern. (Lea Unterseer)

„Hoffmanns Erzählungen“ von Jacques Offenbach

Inszenierung: Verena von Kerssenbrock
Musikalische Leitung: Cornelia von Kerssenbrock
Choreografie: Judith Seibert
Kostüme: Wiebke Horn
Die Basis
Als Basis für das Libretto der Oper in fünf Akten (früher drei Akten plus Vor- und Nachspiel) diente ein von Jules Barbier und Michel Carré verfasstes und 1851 uraufgeführtes Stück. Es basiert im Wesentlichen auf drei verschiedenen Erzählungen des romantischen Dichters E. T. A. Hoffmanns: „Der Sandmann“, „Rat Krespel“ und „Die Abenteuer der Sylvester-Nacht“. Jede der drei Hauptakte nimmt starken Bezug auf eine der Erzählungen und handelt von einer unglücklichen Liebesgeschichte. So handelt Akt 2 von der Puppe Olympia, Akt 3 von der Sängerin Antonia und Akt 4 von der Kurtisane Giulietta.
Die Figur Hoffmann
Der Autor Hoffman selbst erscheint in der Oper Offenbachs als Protagonist in der Rolle des unglücklich verliebten Dichters und Erzählers. Dieser gilt in seinen Kreisen als unterhaltsamer Zeitvertreib. Die Personen um ihn herum lassen sich gerne von ihm unterhalten, schlagen dafür sogar einen Opernabend mit Starsängerin Stella aus. Doch ist dieses Interesse an dem Dichter und Entertainer nur oberflächlich. Für den Mensch Hoffmann haben seine falschen Freunde weder Interesse noch Empathie. Sie benutzen ihn für ihre eigene Unterhaltung und werden ihn später zum Ende der Oper ausgelaugt in seinem Elend zurücklassen.
Doch Hoffmann selbst ist sich seiner Fähigkeiten und Talenten nicht bewusst. Er stößt seine Muse (in Gestalt von Nicklausse) von sich fort und selbst in seinen Erzählungen, die er seinen Freunden vorträgt, kann er als Hauptfigur kein Glück finden. Seine Selbstzweifel und Dämonen verfolgen ihn in seinen Geschichten in Form verschiedener Figuren, wie Lindorf, Coppelius, Dapertutto und Dr. Miracle. Diese sind „nichts als sein eigener Selbstzweifel, gedanklich manifestiert. Nichts als der persönliche Zerstörer „Angst“, der das Instrument Alkohol als zusätzlichen Unterstützer in den Händen hält.“, so die Regisseurin im Gespräch mit Dramaturg Florian Maier für das Programmheft der Inszenierung.
Die Handlung

Während im ersten Akt die Rahmenhandlung Hoffman als Erzähler vor seinen ‚Freunden‘ etabliert, beschreibt der zweite Akt die Liebesgeschichte zur Puppe Olympia. Durch eine magische Brille zauberhaft verklärt, erkennt Hoffmann nicht, dass es sich bei der überirdischen Schönheit nur um einen lebensgroßen Apparat handelt. Als diese von Coppelius aufgrund eines Streits mit Olympias Vater/Erfinder Spalanzani zerschlagen wird, wird Hoffmann von den umstehenden Gästen verspottet.

Der dritte Akt erzähl die Geschichte der Antonia, die von ihrem Vater Crespels eingesperrt wird, aus Angst, sie könnte dasselbe Schicksal wie ihre Mutter erleiden. Diese starb, als sie sich beim Singen überanstrengte. Nachdem Hoffmann den Grund für Antonias Gefangenschaft zufällig belauscht, versucht er sie dazu zu überreden, zusammen mit ihm glücklich zu werden. Doch verführt von dem unheimlichen Dr. Miracle, der ihr von dem Leben als Sängerin vorschwärmt, beginnt Antonia leidenschaftlich zu singen. Als Hoffmann und ihr Vater Crespels herbeistürzen, ist es bereits zu spät. Antonia stirbt.
Im dritten Akt wird Hoffmann von der Kurtisane Giulietta verführt. Diese verspricht dem dämonischen Dapertutto (ital. überall), ihm Hoffmans Spiegelbild zu besorgen im Austausch gegen einen großen Diamanten. Hoffmann, nach eigener Aussage von der Liebe kuriert und nur noch nach der sinnlichen, flüchtigen Lust strebend, verspricht Giulietta im Liebesrausch sein Spiegelbild. Aufgestachelt von Dapertutto duelliert sich Hoffmann mit einem Rivalen um Giuliettas Gunst, während diese mit ihrem Geliebten Pitichinaccio höhnisch lachend den Ort des Geschehens verlässt.
Der fünfte Akt bringt die Rückkehr zum Schauplatz des ersten: in die Kneipe von Lutter & Wegner (die auch im realen Leben E. T. A. Hoffmanns Stammlokal darstellte). Hoffmann ist betrunken. “Don Giovanni” ist zu Ende und Stella erscheint. Doch Hoffmann lässt den Dämonen in seinem Herzen zu viel Platz und geht letztendlich daran zugrunde.

Ein Künstlerporträt: Elena Stikhina

Talentschmiede Immling
„Talentschmiede Immling“ nannte die Süddeutsche Zeitung das Immling Festival, als es 2020 den neuen Gesangswettbewerb vorstellte. Doch nicht nur dort haben Nachwuchssänger die Möglichkeit, ihr Können unter Beweis zu stellen und eine (inter-)nationale Karriere zu starten. Auch für die SängerInnen, die sich im traditionellen Casting durchsetzen und eine Rolle für sich gewinnen, kann das Immling Festival das Sprungbrett in die große Opernwelt bedeuten.
“Tosca” und die russische Sopranistin
Wenn wir in das Jahr 2015 zurückblicken, gibt es eine Künstlerin, die wir uns in diesem Kontext auf alle Fälle genauer ansehen müssen. In der Produktion „Tosca“ unter der musikalischen Leitung von Cornelia von Kerssenbrock und der Regie von Karsten Bohn brillierte Elena Stikhina in der Titelrolle und überzeugte mit ihrem „technisch perfekt durchgebildeter kräftiger Sopran mit leuchtender Höhe.“ (BR Klassik Premierenkritik). Die russische Sopranistin feierte mit diesem Engagement ihr Deutschlanddebüt und das Immling Festival lieferte den Startschuss für eine Karriere wie aus dem Opernsängerinnen-Bilderbuch.

Trailer zur Tosca Inszenierung

Stikhinas Karriere
2016, schon ein Jahr später, gewann sie den Publikumspreis und den „Culturarte“-Preis, in dem von Plácido Domingo initiierten „Operalia“-Wettbewerb. Dieser Wettbewerb bedeutete schon für Künstler wie Sonya Yoncheva und Rolando Villazón den internationalen Durchbruch. Nach diesem Erfolg eroberte auch Elena Stikhina die internationalen Bühnen, sang an der Deutschen Oper Berlin Leonora in „Il trovatore“ und brillierte an der Opéra national de Paris als Tatjana in „Eugen Onegin“. Sang an der Semperoper Dresden Leonora in „La forza del destino“ und war an der Staatsoper Unter den Linden Berlin als Mimì in „La Bohème“ zu sehen. Als Medea begeisterte sie bei den Salzburger Festspielen. Für ihr Debüt 2018 an der Metropolitan Opera verkörperte Elena Stikhina die Titelrolle in Puccinis »Suor Angelica«. Dort wird sie auch in der Saison 2021/22 erneut in der Rolle der Tosca zu sehen sein.
Stikhinas im Gespräch mit der Kulturplattform onlinemerker.de
Jahr 2017:
„Ich mag Tosca, damit hat meine Karriere in Europa begonnen. Für die Oper „Tosca“ habe ich meinen ersten Vertrag bekommen. Vor zwei Jahren habe ich Tosca bei dem Festival ‚Gut Immling‘ in Deutschland gesungen. Dieser Auftritt war für mich sehr wichtig und anspruchsvoll. Ich liebe diese Rolle und singe gern die Tosca. Sie kombiniert in sich das Unkombinierbare: Sängerin und Schauspielerin. Das ist jedes Mal eine Herausforderung. Obwohl Puccini sogar Bemerkungen zu allen Szenen geschrieben hat. Das war die Besonderheit von Puccini, Bemerkungen in die Partitur zu schreiben. Jedes Mal, wenn ich Tosca singe, ist es für mich eine Neuerfindung.“
Elena Stikhinas Auftritt mit Stefano La Colla in der Deutschen Oper Berlin anlässlich der Aids Gala 2019

„Xerxes“ von Georg Friedrich Händel

Inszenierung: Ludwig Baumann
Musikalische Leitung: Cornelia von Kerssenbrock
Wer war der historische Herrscher Xerxes I. eigentlich?

Die Handlung von Händels Oper basiert auf einer historischen Figur: Xerxes I, der von 486 bis 465 v. Chr. als achämenidischer Großkönig und ägyptischer Pharao regierte. Der Name selbst bedeutet „herrschend über Helden“. Eine Darstellung von ihm sieht man auf dem Steinrelief, das im National Museum of Iran zu sehen ist.

Während der historische Herrscher aufgrund seiner politischen Taten in die Geschichte einging, konzentrierte sich Händel lieber auf das Innenleben des Mannes und inszeniert seine Beziehungen, Eifersucht und Intrigen. Die Gründe für sein Handeln bleiben dem Publikum dabei verborgen. Unverständlich schaut man als Zuschauer dabei zu, wie er zwar seine Verlobte über alles liebt, aber trotzdem versucht, die Geliebte seines Bruders zu verführen. Er handelt impulsiv und rücksichtslos, legitimiert seine Taten mit einem despotischen Machtanspruch. Eine in sich gebrochene Persönlichkeit, die von seinem alles beherrschenden Geltungsdrang angetrieben wird. Dieses Bedürfnis, sich öffentlichkeitswirksam zu inszenieren, spiegelt sich auch in seinem Erscheinungsbild wider. An seinem Körper trägt er unzählige Orden, die seine Macht, seine Erfolge, sein Prestige darstellen sollen.

Warum verkörpern heutzutage so oft Frauen die männlichen Hauptrollen in Barockopern ?
Wenn man auf die Besetzung der Operninszenierung des Immling Festivals aus dem Jahre 2015 guckt, könnte man überrascht sein. Als Darsteller von Xerxes I. ist Mezzosopranistin Julia Stein aufgelistet. Sie verkörperte die sogenannte Hosenrolle des Xerxes. Aber warum singen heutzutage oft Frauen die männlichen Rollen in Barockopern?
Kastraten in Hauptrollen
Im Barockzeitalter wurden die zwei, heute am wichtigsten Männerstimmen ‚Tenor‘ und ‚Bass‘ nur in Nebenrollen eingesetzt. Alle Hauptrollen hingegen wurden von Kastraten gesungen. Als Kastraten bezeichnete man Sänger, die vor der Pubertät einer Kastration unterzogen wurden, um den Stimmwechsel zu unterbinden und eine schöne Sopran- oder Alt-Stimme auch noch im Erwachsenenalter zu erhalten. Vor allem vom späten 16. bis ins 19. Jahrhundert in Italien wurden Knaben mit schönen Sopran- oder Alt-Naturstimmen zuweilen kastriert, mit dem Ziel, ihnen eine Laufbahn als erfolgreicher Sänger zu ermöglichen. Einer der bekanntesten Kastraten war der Italiener Farinelli (siehe Gemälde von Jacopo Amigoni), der im 18. Jahrhundert lebte und dessen Leben den gleichnamigen Film von Gérard Corbiau inspirierte. Um die Vorliebe für Kastratensänger und die weitverbreitete Praxis der Kastrationen an der Wurzel zu bekämpfen, erlaubte Clemens XIV. (1769–1775) schließlich, dass Frauen die Sopranpartien in den Kirchen singen und auch wieder auf den Bühnen der vatikanischen Staaten auftreten durften. 1922 starb Alessandro Moreschi, einer der letzten bekannten Kastraten und der einzige, von dem heute noch Tonaufnahmen vorliegen.
Interessanterweise wurde früher eine hohe Stimme für eine ausgesprochen männliche Rolle wie den Herrscher Xerxes nicht als unnatürlich wahrgenommen. Erst später, im 19. Jahrhundert, verdrängte das Kraftvolle das Zierliche, um Macht und Männlichkeit darzustellen. All das ist ein interessanter Hintergrund, um sich dem Diskurs zu stellen: Was ist eine männliche Stimme? Was bedeutet Männlichkeit in der Musik und auf der Bühne? Was hat Macht und Geschlecht mit Stimme zu tun?